Der metropolenschreiber nimmt gerne Sonderangebote, auch Schnäppchen genannt, wahr. Heute zog es ihn zum neu gedämmten Bahnhof der kleinen Stadt, wo es neben schicken Automaten noch zwei echte Schalterplätze gibt. Er wollte dort nur schnell-schnell zwei Passbilder abgeben, und Ausweise vorlegen, und Kindergeldbescheide absegnen lassen, um seine Schnäppchenkarte zu erhalten. Bewusst und besonders clever hatte sich der metropolenschreiber den frühen Nachmittag ausgesucht. Die Zeit, wenn der Biorhythmus lahmt, und die Schalter bekanntlich leer sind. Denkste!
Der metropolenschreiber kommt an. Zwei Schalter besetzt. Eine beleibte Dame vor ihm im trichterförmig angeordneten Wartezuleitungsbereich. Ein älterer Herr am Schalter von Dame 1. Typ resolute Mittvierzigerin mit kurzen, roten Haaren.
„Easy“, denkt der metropolenschreiber und will zu Dame 2 schwenken. Typ blondes, ätherisches Wesen, das auf der 7. Stufe der Totalmetamorphose zur leibhaftigen Verbarbiepuppung steht. Wir sehen makelloses Make up in einem gemeißelten Gesicht. Dazu eine übergroße, dunkelblaue Uniform.
Doch da bemerkt er das Schild auf dem Beratungstresen vor Dame 2: „Geschlossen“.
Na, dann eben Dame 1.
Und warten. Und warten. Und warten.
Endlich räumt der ältere Herr das Feld, die Beleibte rückt nach auf den Platz vor Dame 1. Der metropolenschreiber lauscht: Es geht um einen Schülerausweis. Es geht um billig, billig, billig. „Warum sind wir alle solche Preisdrücker“, denkt der metropolenschreiber genervt.
Dann betrachtet er Dame 2. Sie starrt auf ihren Flachbildschirm. Liest. Klickt ab und an auf ihre Maus. Der metropolenschreiber rätselt: „Macht sie die Tagesabrechnung? Hat sie Schichtende und muss deshalb keine Kunden bedienen?“
Inzwischen haben sich fünf oder sechs weitere Personen im Rücken des metropolenschreibers angehäuft. „Kommen Sie ein Stück vor. Die Tür ist sensibel. Reagiert auf die leiseste Bewegung“, diskutiert man hinter ihm die Charaktereigenschaften der Automatiktür. Und: „Na, mein Chef bezahlt mir die Wartezeit hier. Kommt ihn teuer zu stehen. Das geht ja überhaupt nicht voran.“
Der metropolenschreiber denkt angestrengt nach. Er möchte schreien: „Nur Euer Monopol erlaubt Euch diese Behandlung Eurer Kunden. Wir sind doch keine Bittsteller. Wir finanzieren Eure Arbeitsplätze.“ Der metropolenschreiber ist sich unsicher. Soll er laut werden? Werden ihn die anderen Wartenden unterstützen oder in den Rücken fallen?
Was macht die ätherische Dame 2? Sie starrt weiter auf ihren Bildschirm. Warum sagt ihre Kollegin nichts? „Mensch, Ilse, mach den Schalter auf!“
Inzwischen wandern einige Wartende frustriert ab. Die beleibte Dame hat nun ihr Schülermonatsticket klar gemacht, will nun noch eine Verbindung wissen. Und noch eine. Und noch eine.
Die ätherische Dame? Vergiss es. Der metropolenschreiber resigniert. Die Schlange ragt bereits aus dem Verkaufsraum. Die Tür ist permanent geöffnet. Dauerstress. Bekommt ihr das, der Sensiblen?
Endlich eine klare Ansage von Dame 1: „So, mehr Verbindungen kann ich Ihnen jetzt nicht raussuchen. Sehen Sie sich mal die Schlange an. Das müssen Sie zuhause im Internet recherchieren.“
Ja! Bussi! Welche Konsequenz! Ich liebe resolute Mittvierzigerinnen!
„Ich wollte doch nur eine Verbindung wissen“, pampt die Beleibte zurück und räumt den Tresen. Gleich wird das Rätsel gelöst. Gleich weiß der metropolenschreiber, was die ätherische Dame 2 so ungemein fesselt.
Feierlich tritt er an den Servicecounter, begrüßt Dame 1 mit einem Lächeln, legt seine Papiere vor, wendet dann ganz langsam den Blick nach rechts und liest die Wörter auf dem Bildschirm der ätherischen Rätselhaftigkeit.
Und die Wörter tanzen vor seinen Augen: „Online lernen …neues Vertriebsmodul…unsere Kundenoffensive…verbesserte Ansprache…ausgezeichnete Bedienqualität…“
ps: ich finde die treuen follower dieses blogs haben eine erklärung verdient: WAS und vor allem WER machte aus dem stattschreiber den metropolenschreiber? liess sich stattschreiber ins bockshorn jagen von dahergelaufenen schnöseln? wurde ihm der schneid abgekauft? ist er umgezogen nach mumbai? details, drohbriefe, rechnungen bitte nicht direkt zu wikileaks sondern zuerst an … uns!
da kann sich der metropolen schreiber aber glücklich schätzen, auf so ein strebsames exemplar gestossen zu sein! die meisten ätherischen damen, die in monitore starren, checken die ikea-website oder ihren facebook-account. zeker weten!